​Kurz vor Weihnachten bietet das ausatmende Jahr mir wieder Gelegenheit den Geschehnissen der letzten Zeit ein wenig rückblickende Aufmerksamkeit zu schenken.

Sportlich gesehen deutet einiges darauf hin, dass vor allem Heidenheim aber auch Leipzig bereits für die 2. Liga vorplanen dürfen. Im Rhythmus ertragreicher Resultate rauschen sie davon. Dem Verfolgerfeld mangelt es dagegen noch an Konstanz. Hier geht es schon fast wie bei der Echternacher Springprozession zu: Man bewegt sich eher im Wiegeschritt, macht im Ergebnis auch mal zwei Schritte vor und wieder einen zurück. Das gilt auch für uns. Bedenkt man aber, dass wir diese Saison vorab in einen bescheidenen Rahmen gespannt haben, uns diesmal(!) eigentlich nur konsolidieren und das Fundament unserer Mission legen wollen, dann muss unser 5. Platz zum Ende der Hinrunde als äußerst positive Überraschung notiert werden.

Vermutlich könnten wir nach Punkten sogar noch etwas besser dastehen, hätten uns nicht Sperren und das Verletzungspech so nachhaltig heimgesucht. Die Tatsache, dass dies nicht allzu negativ durchschlug, oder gar zu einer Havarie führte, beweist zweierlei. Erstens wurde der Kader von der sportlichen Leitung sorgsam mit breiter Qualität bestückt und zweitens von der ersten Übungseinheit an durch das Trainerteam glänzend geführt. Wo zeitweise Personal abhanden kam, bewies Cheftrainer Walter Kogler oft geradezu "künstlerisches Geschick". Indem er fast wie ein Maler die Lücken "überpinselte", sorgte er dafür, dass nichts nachhaltig verrutschte. Das erinnert mich - der kurze Ausflug in die Kunst sei gestattet - an ein Werk von Canaletto. Der hatte nämlich einst den etwas "aus den Fugen" geratenen Dogenpalast von Venedig auf seine Art auch "in Ordnung" gebracht, indem er alle Fenster auf gleicher Höhe und damit symmetrisch malte, obwohl sich ihm rechts, von der Lagune aus gesehen, in Wirklichkeit zwei Fenster tiefer liegend darboten, als die übrige wohlgeordnete Front.

Ich will damit sagen: So wie der große Maler quasi "per Pinselstrich" die eigentlich fehlende Symmetrie des Originals durch sein Schaffen behob, so erhielt unser Trainer durch geschickte personelle Schachzüge die Konturen unseres Spiels und konnte uns so auf der eingeschlagenen Umlaufbahn halten. Statt Farbe und Pinsel, waren seine "Werkzeuge" dabei selbstredend Taktik und Tonlage.

Auch an anderen Stellen hat er dem "Bild", das die Mannschaft in der Halbserie abgab, ganz unaufgeregt seine Signatur verliehen. Dabei hat er insbesondere die Entwicklung und Integration junger Spieler in zuvor nicht gekannter Weise befördert. Wohl auch deshalb erhielten Sebastian Stolze und Kevin Möhwald Berufungen in die Nationalmannschaft.

Unser Weg nach oben ist aber noch weit. Er wird zudem nicht nur von Steinen gesäumt, die sportliche Gegner, sondern auch Politiker aus der eigenen Stadt, dort abgelegt haben. Möglich, dass sie sich daran noch selbst stoßen werden.

Sie alle kennen die Diskussion um unsere Spielstätte. Nach Aktenlage wird sie zu einer Multifunktionsarena umgebaut. Der Fördermittelbescheid der EU und ein entsprechender Ratsbeschluss dazu liegen vor. Das Ausschreibungsverfahren läuft. So weit, so gut. Doch die Gegner der Arena geben keine Ruhe. Sie ereifern sich neuerlich - ungeachtet der Faktenlage - wieder über das Projekt, und zwar in einer Weise, als gelte es die Hamburger Elbphilharmonie oder den Berliner Großflughafen als Vorbild des Schreckens abzulösen. Dabei liefern sie aber keineswegs eine neue Sicht der Dinge, keine Argumente, die nicht schon in der dem Ratsbeschluss vorangegangenen Debatte ausführlich thematisiert worden sind. Ihr Vorpreschen ist vielmehr mit dem Verdacht belastet, sie würden das alles nur tun, um das traurigste real existierende Bauwerk des Sports, das auf dem Gebiet einer deutschen Großstadt anzutreffen ist, zum Stimmenfang für die kommende Wahl nutzen zu wollen. Dabei ist ihnen über Jahre hinweg der Zustand des alten Kastens gleichgültig gewesen.

Doch ihr Vorgehen ist nicht ohne Tücke für sie selbst. Denn ein Parlamentarier, der sich nicht an Beschlüsse hält, verstößt gegen elementarste Regeln der Demokratie und betreibt quasi politische Rechtsbeugung.

Streng genommen ist daher alle Aufregung umsonst. Sie kann uns gleichgültig sein. Denn auch die Ministerpräsidentin, zweifellos eine kluge Frau, weiß worum es hier geht. Sie kann bei dem einberufenen "runden Tisch" daher eigentlich nur noch versuchen das völlig verwilderte Feld der Wahrnehmungen, Ansichten und Emotionen etwas zu ordnen und zu glätten und die Gegner der Arena an die Spielregeln der Demokratie erinnern.

Wenn die Sache aber in dieser Runde doch noch in einen Kompromiss herunterdebattiert werden würde, dann verlieren alle. Der FC Rot-Weiß seine Zukunft und die Politik ihr Gesicht. Die Politik hätte dabei beides zu verantworten. Heute so und morgen so - das geht nicht ! In Erfurt geschehen zwar oft seltsame Dinge, aber das wird sich kein Politiker ernsthaft trauen wollen, will er nicht persönlich schaden daran nehmen. Übrigens, nicht die hochsubventionierte Kultur oder irgendeine andere Einrichtung der Landeshauptstadt, sondern der FC Rot-Weiß Erfurt ist deren größter Botschafter und Werbeträger. Wochenende für Wochenende fällt der Name der Stadt durch die mediale Berichterstattung über den Verein bis zu 5 Millionen Menschen in der ganzen Bundesrepublik ins Auge und ins Ohr. Da muss man sich nicht jahrelang bittstellerisch herumschubsen und am Schluss noch für dumm verkaufen lassen. Ich bin sicher, wenn die Arena noch einmal blockiert wird, dann werden sich viele Erfurter aufrichten und öffentlich eine deutliche Antwort auf die schon oft gestellte Frage: "Wer sind wir und wie viele"? geben.

Die letzten Tage und Wochen hat uns diese Frage auch in anderem Zusammenhang beschäftigt. Wir sind dabei quasi bis zum genetischen Code des Vereins vorgedrungen und haben den zugegebenermaßen etwas vernachlässigten Wert der Tradition wiederentdeckt. Künftig wollen wir uns in der Vereinsgeschichte aber wieder besser spiegeln. Erster sichtbarer Ausdruck einer neuen Brücke zwischen dem Einst und dem Jetzt ist unsere landesweite Plakataktion. Ehemalige Spieler und namhafte Persönlichkeiten der Stadt sind Seite an Seite darauf zu sehen. Die Helden der Vergangenheit und die Protagonisten der Neuzeit haben sozusagen fusioniert. Nicht erst die Vorstellung der Aktion "Stallgeruch" auf der Mitgliederversammlung am letzten Mittwochabend hat einen Erfolg dieses ersten Schrittes erkennen lassen. In vielen Gesprächen erkannte ich schnell, dass ausgebleichte Gefühle in veränderter Farbe und neuen Mischungsverhältnissen zurückkehren. Nun gilt es dem was einmal Turbine war und seit 1966 Rot-Weiß heißt, durch dieses Band noch mehr Schubkraft für unsere Mission zu verleihen. Gelegenheiten gibt es viele. Ob bei der Politik, oder einfach nur schon nächsten Samstag, wenn in Halle bereits die Rückrunde für uns beginnt.

Ihnen eine schöne Weihnachtszeit.
Ihr
Wilfried Mohren

08.12.2013 \ Mohrens Einwurf