​Die Saison ist gelaufen. Wir gratulieren Sandhausen und Aalen zum Aufstieg und wünschen dem Jahn aus Regensburg viel Glück in den Relegationsspielen. Glück benötigt auch der FC Carl Zeiss Jena noch - und zwar in nicht geringem Maße. Denn die Männer aus den Kernbergen sind sportlich in der großen Brache jenseits von Platz 17, also unter dem Strich hängengeblieben. Nun klammern sie ihre Hoffnung an die Lizenzverweigerung für einen sportlich zwar qualifizierten, wirtschaftlich aber womöglich maroden Verein. Mir persönlich gefällt Jenas Abstieg - sollte er letztlich bestehen bleiben - übrigens nicht. Die Derbys, stets Höhepunkte einer Saison, werden beiden Seiten sowohl unter wirtschaftlichen wie emotionalen Gesichtspunkten fehlen.

Und wir? Was ist eigentlich mit uns? Wie war die Rot-Weiße Saison? Irgendwie schwer zu sagen. Wahrscheinlich braucht es noch etwas Abstand um die Dinge richtig einzuordnen. Aber Tatsache ist: Wie im Vorjahr reichte es leider wieder "nur" zu jenem Platz, der neben den drei Abstiegsrängen die undankbarste Position in der Abschlusstabelle überhaupt ist: Platz 5! Das klingt nicht schlecht, aber ist nicht ohne Tragik, da wir in den letzten beiden Jahren eben immer zu spät kamen, wenn es an das Verteilen der Lorbeeren ging. Letztes Jahr noch durch eigene Dummheit auf der Zielgeraden von Dresden abgefangen, kamen wir diesmal von hinten angestürmt - um doch wieder mit leeren Händen dazustehen. Wahnsinn! Drei Siege aus den letzten drei Spielen, waren für die Katz, weil die Tabelle dem finalen Kraftakt schlichtweg seinen Wert absprach! Grausam anzuschauen, wie das Schicksal uns in einer Art "Hase-Igel-Spiel" narrte. Da gewannen wir in Chemnitz eindrucksvoll und stellten danach dennoch fest: Die Relegation ist futsch, weil vom Jahn aus der Oberpfalz der Ruf erklang: "Wir sind schon da". Vorgestern deklassierten wir dann noch RW Oberhausen, hörten aus der Ferne aber mit dem Schlusspfiff neuerlich denselben Ausruf. Diesmal wurde er uns vom 1.FC Heidenheim zur Kunde gebracht. Damit war auch die DFB-Pokalqualifikation (wieder) verpasst. Deren Vision war zudem schon einmal, vor vier Wochen nämlich, wie das Bild eines vom Wind bestrichenen Wassers erloschen: In Meuselwitz hatten wir das Ding im ersten Anlauf bereits über den Landespokal verdaddelt.

"Die Tabelle lügt nicht", ist eine der stets wiederkehrenden Sätze dieser Saison von Stefan Emmerling gewesen. Nach dieser Philosophie haben wir konsequenterweise nicht mehr und nicht weniger als das was herausgekommen ist verdient. So einfach ist das. Wir waren, nicht zuletzt daheim, zu unbeständig und die Mannschaft hat zu spät die Zeichen ihrer Berufung erkannt. Wenn man auf der langen Strecke einer Saison den Umfang der Bemühungen zwischendurch auf teils kapriziöse Art immer mal wieder vermindert und den oft abgestumpften Vorsatz nicht beständig zu erneuern vermag, dann reicht es am Schluss nicht für mehr. Selbst dann nicht, wenn man in ruckartigen Zwischenspurts versucht nachholen, was zuvor versäumt worden ist.

Es gehört sicher nicht nur zu meinen Erkenntnissen, dass dieses Team bei all seinen Unternehmungen keinen größeren Gegner hatte als sich selbst. Zu entschlüsseln, warum dies so war, wird in den nächsten Tagen und Wochen eine wichtige Aufgabe im Verein sein.

Neben der Rückschau gehen die Planungen für die kommende Saison weiter. Wie wir Samstag gesehen haben, können oder wollen nicht alle bei uns bleiben. Acht Spieler wurden mit Dank für das Geleistete am Samstag verabschiedet. Sie suchen nun neue Gehege auf und werden dort hoffentlich erfolgreich sein. Ob es das jetzt in Punkto Abgänge war, entscheidet sich in Kürze.

Bald werden auch wieder frische Kräfte den FC Rot-Weiß bereichern, darunter nicht wenige aus dem eigenen Nachwuchs. Mit vier hoffnungsvollen Eigengewächsen aus dem Beritt von Christian Preußer sind wichtige Verträge geschlossen worden. Torsten Traub leistet übrigens auf diesem Sektor eine gute, oft unterschätzte Arbeit und ganz sicher mehr, als man ihm in einer Zeitung kürzlich zubilligen wollte. Das möchte ich hier einmal besonders unterstreichen.

Alle laufenden Gespräche und Verhandlungen werden auch geleitet von einem Paradigmenwechsel, einer neuen Philosophie. Wir wollen mehr Identifikation zwischen Verein und Region schaffen. Um eine Achse erfahrener, gestandener Spieler herum, soll den jungen Leuten in der neuen Spielzeit eine echte Chance eingeräumt werden sich zu bewähren. Sie sollen keine papierne Randexistenz führen. Das geschieht zunächst aus Überzeugung und daneben auch aus wirtschaftlicher Notwendigkeit.

Noch ein paar Worte zu einigen Spielern, die uns verlassen. Da wäre zunächst Marcel Reichwein. Der "Überwinder seiner selbst" mutierte vom Chancentod zum besten Goalgetter der Liga. Im Herbst noch unfähig seine Kräfte für jedermann sichtbar in Geltung zu bringen, sprengte er in den letzten Wochen doch noch seine Ketten. Er hat mit seinen 17 Treffern und weiteren Vorlagen die Emissäre anderer Vereine auf sich aufmerksam gemacht und will seine Karriere nun auf einer anderen Ebene fortsetzen. Das muss man verstehen und ich wünsche ihm dabei viel Glück im richtigen Klub. Der anhaltende Applaus bei seiner Auswechslung am Samstag stand ihm wahrlich zu und wird ihn mit dem Erfurter Publikum am Ende hoffentlich noch versöhnt haben.

Oli Caillas geht ebenfalls - zurück nach Düsseldorf. Auch ihn werde ich vermissen, als Person, als Spieler und nicht zuletzt als Entertainer. An der Linie sich stets flink und elastisch auf- und abbewegend, wurde er von zielsicherer Intuition in seinem Spiel geleitet. Selbst der ungelittenen Rolle als Außenverteidiger sprach er tapfer zu. Seine Clownerien wurden daneben beinahe Kult. Der Aufmerksamkeitsfaktor der Zuschauer wuchs besonders dann, wenn ihm jemand zu nahe auf die Pelle rückte. Dann konnte es passieren, dass er durch die Andeutung einer temporären Invalidität Sensation zu machen verstand - ob er nun berührt worden war, oder nicht (wie z.B. kürzlich in Münster). Andere kleinere Renommistereien, die er daneben beständig in seine Auftritte einflocht, hatten ebenfalls großen Unterhaltungswert. Meine kleinen mokanten Anmerkungen dazu fasste der intelligente Profi immer richtig auf. Ihm war stets bewusst, dass die Freiheit, die sich meine Feder hier gelegentlich ausnimmt, aus Gewogenheit erwächst. Und ich wiederum wusste meinerseits immer, dass Oli nur so sein konnte wie er ist: authentisch eben. Oli, mes meilleurs voeux!

Etwas ausführlicher möchte ich mich zum Schluss schließlich noch mit jemandem beschäftigen, der zwar auch aufhört aber vielleicht doch bleibt und von dem wir alle wissen, dass sich gerade Zukunft und Gegenwart bei ihm voneinander losarbeiten - was immer kein leichter Prozess ist: Rudi Zedi, der - wie die Ovationen gestern wieder gezeigt haben - bei den Fans nicht schlecht angeschrieben ist und von vielen Leuten gar als Publikumsliebling betrachtet wird.

In kurzen Hosen ist der Mann zu hohen Jahren gekommen, aber auch ihm gegenüber lügt der Spiegel inzwischen nicht mehr. Denn obwohl seine bewundernswerte Fitness lange dem Ansturm des Alters trotzte, sind Zeichen der Reife nicht mehr zu übersehen. Deshalb befand er sich zuletzt auf Abschiedstournee durch die Stadien der Liga. Dass der Kapitän schon seit Wochen dabei kaum mehr von Beginn an zum Einsatz kam, hat ihn zeitweise sehr verdrossen, was äußerlich aber nur der eine oder andere kurze Blick verschwiegenen Grams verriet. Das ist nur zu verständlich, denn die mit dem Ball am Fuß verbrachten Momente sind und waren halt seine glücklichsten.

Der bald 38jährige Haudegen aber ist durch und durch Sportsmann und weiß, dass irgendwann Schluss sein muss. Und er hört in Ehren auf. Bis zuletzt gab er immer mehr als verlangt wurde und agierte zuweilen wie einer, der noch zahlreiche Vereine auf sich warten weiß. Sich aus bloß erfüllten Pflichten schon ein Verdienst zu machen, entspricht zwar - wie wir alle vielfach in unserm Alltag beobachten - dem Geist der Zeit, war seine Sache aber nie. Auf dem Spielfeld stellte er so manches Mal einen Lichtpunkt dar, auf den sich dann die Blicke richteten. Nicht nur bei seinen berühmten und von langgezogenen "Ruuuuudi"-Rufen begleiteten Einwurfflanken. Im Spiel war er defensiv eine Art Fels im Gewoge, stand wie ein rhodischer Koloss, an dessen Statur sich nicht selten schon weit vor unserem Tor der Drang des Gegners mäßigte oder gar bereits zerschellte. Auch nach vorne hin bot er öfter Gelegenheit ihn anzustaunen, etwa bei seinem auffällig guten Kopfballspiel. Als Spielführer war er ein Kapitän der alten Schule - institutionell sozusagen. Einer der sich nicht zuletzt auch durch das "Amt" als Rudelführer bevogtet sah.

Das er als Leitwolf jemals in die Verlegenheit geraten könnte der Bank anvertraut zu werden, wird lange unvorstellbar für ihn gewesen sein. Die einstmals besondere Stellung eines die Spielführerbinde tragenden Akteurs, ist im Fußball in den letzten Jahren aber zu seinem Pech vielfach aufgehoben und alle sind an Rang und Würde gleichgestellt worden. Das "Wir" wurde zum Axiom erklärt, der Einzelne hat an Bedeutung verloren. Ein Reflex der neuen, viele Traditionen aufhebenden Zeit - nicht nur im Fußball. Zentrum und Peripherie auf dem Spielfeld wie im Leben werden inzwischen oft anders definiert als früher. Heroen haben es daher immer schwerer ihren Auftrittsanspruch dauerhaft zu behaupten. Eine Erfahrung die Rudi Zedi zum Ende seiner aktiven Karriere mit vielen großen Spielern, nicht zuletzt mit Michael Ballack verbindet. Dem Individualismus gehen eben die Reserven aus. Ich sage das nicht ohne Bedauern.

Die Beklommenheit über das Ende der aktiven Zeit mag Rudi Zedi am besten mit wonnevollen Erinnerungen an seine erfolgreiche Karriere verdünnen. Dazu gehört auch, dass er Teil der Aufstiegself aus dem Jahre 2004 war.

Noch offen ist die Frage nach seinem näheren Geschick. Er könnte bleiben und Stefan Emmerling als Co-Trainer zur Seite gestellt werden. Das würde jedenfalls rein äußerlich passen. Aber will er das auch? Bis zur Stunde hat er sich noch nicht entschieden.


Ich wünsche allen eine gute Zeit
Herzlichst
Ihr
Wilfried Mohren 07.05.2012 \ Mohrens Einwurf